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Erst schreiben, dann denken

Aktualisiert: 9. Juni

Manchmal bleibe ich an einem Satz hängen. Zum Beispiel dann, wenn ich an einem Paar vorbeigehe, das vor einem Schmuckgeschäft mit Eheringen steht. Die Frau will stehen bleiben, der Mann offensichtlich nicht. Wie der Wortwechsel war, kannst du hier nachlesen (Vorsicht... du gelangst auf meinen Blog aus Urzeiten...)

Was für eine wundervolle Startrampe für einen Text. Diese Technik begleitet mich schon lange.

Hier habe ich weiter Satzanfänge gesammelt.


Gärn no es Wünschli?

Der Kellner im Restaurant des Golfplatzes Meggen macht seine Arbeit gern und mit Stolz. So wirkt er auf mich. Er hat einen guten Rundumblick, hat die Lockerheit, ab und zu einen neckischen Spruch zu den Gästen zu machen und bringt die Getränke elegant an den Tisch.

Seine Wortwahl fällt mir auf. Gäste, die vor leeren Gläsern sitzen, fragt er "Gärn no es Wünschli?". Ich bleibe hängen. Was für eine merkwürdige Kombination aus zwei Sätzen. Richtiger empfände ich "Hätten Sie gerne noch etwas?" und "Haben Sie noch einen Wunsch?". Nicht so der Kellner. Er nimmt die Abkürzung und fragt, ob wir gerne noch einen kleinen Wunsch hätten. Nun ja, manchmal hätte ich lieber weniger Wünsche, habe ich meine Wünsche gerne? Sind es Wünschli oder Wünsche? Ist ein Mojito an einem heissen Wandertag ein Wünschli, ein Wunsch oder einfach eine schlechte Idee? Wann hat sich wohl diese merkwürdige Satzstruktur an den Kellner geheftet? Und wie oft sagt er ihn an einem Arbeitstag? Wer erfüllt seine Wünschli?

Ich mag´s, wenn Sätze zu Geschichten werden.



Was kommt alles in einen Gin Tonic?

"Martina, was kommt eigentlich alles in einen Gin Tonic?" Robbie überragt mich um mehr als einen Kopf. Er steht in unserer Küche und guckt mich treuherzig an. Ich gucke zurück. Meint er das ernst? Ja, scheint so.

Es ist die Geburtstagsfeier meines Mannes. Ich habe mich dazu auserkoren, für die Bar zuständig zu sein. Am liebsten mache ich Mojitos. Einige bestellen Gin Tonics. So auch Robbie. Nach dem zweiten Gin Tonic möchte er seinen Drink selber mixen. Deshalb die Frage.

Ich weihe ihn ein in die mystische Welt des fantastischen Mixgetränkes namens "Gin Tonic". Was ja keiner denken würde: Das Getränk heisst so, weil es aus Gin und Tonic besteht...

Robbie freut sich.

Den Rest des Abends mixt er sich seine Gin Tonics selbst. Akribisch genau nach meiner Anleitung.



Es klang wie eine Corvette, aber es war ein Chevrolet

Das erzählte ich vorgestern meinem Mann. In unserem Quartier fuhr ein Auto rum, das brummte und röhrte wie eine Corvette. Wie eine Corvette klingt, weiss ich deshalb, weil ein Nachbar des Hotels, in dem ich vier Jahre arbeitete, täglich seine Corvette warm laufen liess, bevor er profimässig durch das Zürcher Seefeld kutschierte.

Vorgestern war ich zu Fuss unterwegs zum Einkaufen, als dieses Dröhnding die Strasse hochfuhr, ganz langsam, so als ob es seinen Sound in alle Hausecken drücken möchte. Es klang wie ein wütendes Nashorn oder so was in der Art. Jedenfalls etwas, vor dem ich mich fast ein wenig fürchtete. Vor allem, als es wenig später wieder von oben nach unten fuhr, also hinter mir her. Ich war wirklich nicht sicher, ob das nicht ein Verrückter am Steuer ist, der mich gleich rammen wird. Ein wild gewordenes Auto, das alles umdröhnt, was es finden kann. Es fuhr keine 30 km/h. Immerhin. Der Sound war gigantisch. Wie eine Corvette halt.

Als es mich überholte, sah ich jedoch das Chevrolet-Zeichen auf dem Heck. Aha, also ein Chevrolet, keine Corvette.

Später am Tag erzählte ich dann eben meinem Mann, dass mich ein Auto überholte, das klang wie eine Corvette, aber dann doch ein Chevi war. Er schaute mich an. Ungefähr so, wie ich Robbie anschaute, als er mich fragte, was denn in einen Gin Tonic käme. "Martina, eine Corvette ist ein Chevrolet...!"

Aha. Upsi, didn´t know. Aber hey! Umso besser! Ich erkannte gleich zwei Sachen! Dass es eine Corvette ist UND ein Chevrolet. Mein Autowissen ist beeindruckend... hihihi.



Die Theorie dahinter

Oft fällt es uns leichter zu schreiben, wenn wir schon einen Anfang für einen Text haben. So kommst du ganz leicht ins Schreiben. Wenn du später deinen Text überarbeiten willst, kannst du den Anfang immer noch ändern. Viele überarbeitete Text beginnen nicht mehr so, wie sie in der ersten, zweiten, dritten Fassung anfingen. Damit du etwas überarbeiten kannst, brauchst du erst mal einen Text. Und den startest du "einfach so". Die wundervolle Schriftstellerin Milena Moser nennt diese Technik "erst schreiben, dann denken".

Diese Methode ist sehr gut geeignet, um regelmässig ins Schreiben zu kommen ohne Anspruch auf eine gute Geschichte. Es ist ein Training für dein Schreiben.


Jetzt du

An welchem Satz bist du neulich hängen geblieben? Wo hast du ihn gehört? Wer sagte ihn? Was ging dir durch den Kopf? Welche Bilder hattest du dabei?

Schreibe den Satz auf. Dann schreibe während 10 - 15 Minuten weiter. Lass dich überraschen, wie inspirierend Sätze in deiner Umgebung sein können.


Als Variante: Der Satz ist nicht der Anfang sondern der Titel deiner Geschichte.


Ich wünsche dir viel Freude beim Sätze sammeln.

 
 
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