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Wie geht es dir - was nimmst du mit

Schreiben hat seine eigene Dynamik. Ich folge einem Impuls, beginne einen Text, lasse ihn weiter fliessen und weiss nicht, wo ich am Ende rauskomme. Der Weg ist das Ziel. Schreiben ist wie ein Bagger, der bis in tiefe Schichten gelangen kann oder auch nur an der Oberfläche kratzt.


Was in meinen Schreibworkshops geschieht

Wenn ich einen Schreibworkshop plane, kenne ich das Ziel. Ich plane minutiös. Die Impulse, die Satzanfänge, die Methoden, die Weiterführung. Das ist mein Anteil. Mein Fachwissen. Meine Erfahrung.

Was die Teilnehmerinnen (ja, in 99% sind das Frauen) damit machen, welche Texte entstehen, welche Emotionen auftauchen; das kann ich nicht planen.

Zwar habe ich eine Idee, was meine Impulse auslösen, wie sie wirken. Jede der Teilnehmerinnen nimmt mit ihrer eigenen Persönlichkeit teil. Mit ihrer Geschichte, ihren Erfahrungen. Kratzt der Bagger bei der einen an oder Oberfläche, kann es bei der anderen ganz tief gehen. Was ich als kleinen kreativen Impuls betrachte, kann bei einer anderen Person eine Tür öffnen, die in einen ganz anderen Raum führt.



meine Verantwortung - deine Verantwortung

Hier braucht es Verantwortung. Sowohl von mir wie auch von meinen Teilnehmerinnen. Meine Aufmerksamkeit liegt bei den Teilnehmerinnen. Während jede für sich schreibt, bin ich stille Beobachterin. Natürlich glotze ich dabei nicht in die Runde... vielmehr nehme ich wahr, was hier in diesem Raum geschieht. Bei Präsenz-Workshops geht das gut.

In Online-Workshops schalten die Schreiberinnen die Kamera beim Schreiben meist aus. So ist der Schreibfluss möglichst ungestört. Hier liegt die Verantwortung grösstenteils bei der Person, die schreibt. Wie tief will und kann ich heute gehen? Jede entscheidet selbst und achtet auf sich. Das ist eine meiner Regeln, die ich auch am Anfang eines jeden neuen Workshops teile.



Schreiben in (grossen) Gruppen

Die TN-Zahl in meinen Schreibworkshops ist begrenzt. Je nach Thema können bis zu 12 Teilnehmerinnen dabei sein. So war es in der Bibliothek in Laupersdorf, wo ich am 13. Juni einen Schnupperabend in kreativem Schreiben leiten durfte. Ich habe es sehr genossen, mit dieser Frauenrunde unterwegs zu sein und die Bibliothek mitsamt ihren Büchern, Ecken und Schreibmöglichkeiten nutzen zu können. Die Aufgaben hatte ich so gewählt, dass die Frauen sich in kleinen Gruppen austauschen konnten. Obwohl die Bibliothek nicht besonders gross ist, war genügend Raum, um sich zurück zu ziehen und ungestört in den Austausch zu gehen.


Anders als in kleineren Workshops war ich nicht immer beim Austausch mit dabei. Nicht jede Emotion, jeden Gedanken, jeden Text konnte ich mitnehmen. Umso wichtiger, dass die Teilnehmenden selbstverantwortlich agierten.

Nach meiner Erfahrung funktioniert das sehr gut. Wissenschaftlich kann ich es nicht erklären, aber irgendwie scheint dem Schreiben in Gruppen eine Wirkung innezuwohnen, die verbindet, emotional aufmachen lässt und Menschen, die sich gar nicht kennen, mit grosser Offenheit und Empathie aufeinander zugehen lässt.



Texte teilen und Austausch

Das ist der Programmbaustein, der am häufigsten in meiner Planung steht. In meinen Workshops ist immer genügend Raum, um seine Texte teilen zu können. Es ist freiwillig und nur die teilen, die gerne wollen. Seinen Text laut lesen zu können, die Worte nicht bloss im Innen, sondern eben auch im Aussen zu hören, das hat eine Wirkung. Was beim Schreiben noch gar nicht so klar war, tritt beim Hören vielleicht in einer ganz anderen Klarheit auf. Die Rückmeldungen von den Zuhörenden sind eine Ergänzung zur persönlichen Erfahrung.

Auch die Ladies in der Bibliothek tauschten sich rege über ihre Erfahrungen und Emotionen aus. Das verbindet, relativiert, stärkt.



Ich kann nicht schreiben

Meine erste Ausbildung ist Primarlehrerin. Während 5 Jahren habe ich gelernt, wie ich Kindern lesen, schreiben, rechnen und noch viele andere Sachen beibringen soll. Das habe ich dann sieben Jahre lang gemacht. Für manche Kinder waren die Buchstaben ein regelrechter Kampf. Anderen ging es ganz leicht und erste Geschichten entstanden wie von alleine auf dem Papier.

Die Erfahrungen, die wir in der Schule machen, prägen uns so stark. Wenn mir eine erwachsene Frau sagt, sie fühle sich beim Schreiben im Workshop wie damals in der Schule - Blockade, Stress, keine Idee, tausendmal von vorne anfangen, durchstreichen, alles doof finden - dann ärgere ich mich! Nicht über die erwachsene Frau notabene, sondern vielmehr über das Schulsystem, das so stark auf "richtig und falsch" setzt(e).

Ich wünsche mir eine Welt, in der alle, die gerne schreiben wollen, auch schreiben.

Ohnne Angst for Velern - denn auch so ist es verständlich, oder? Was zählt ist die Freude am Schreiben, am Prozess. Die Emotionen und ihre Wirkung.



Wie geht es dir - was nimmst du mit?

Das ist mein bevorzugter Ausstieg aus einer Schreibsession. Eine kurze Reflexionsrunde am Ende gibt mir ein Gespür dafür, wie die Lage ist. Manchmal braucht es noch etwas, manchmal ist einfach alles rund und fröhlich. Eine Erkenntnis laut auszusprechen hat Kraft und kann mehr wirken, als etwas unterschwellig wahrgenommenes. Deshalb (fast) immer am Ende des Schreibens meine Frage: Wie geht es dir, was nimmst du mit". Es ist mir ein Anliegen, die Teilnehmerinnen "sicher" zu verabschieden. Okeeokee, jetzt klingt es ein wenig dramatisch. Bei meinen Workshops in Kreativem Schreiben wähle ich die Impulse so, dass die Freude am Spiel mit der Sprache im Vordergrund steht. Doch auch hier kann es tief gehen. Im Einzelsetting gehen die Themen meist tiefer, machen etwas auf, das über die Stunde Schreiben hinausgeht. Deshalb die Frage zum Ende. Daraus ergeben sich nächste Schritte.


In der Bibliothek hatte ich meine reguläre Frage ausgelassen, obwohl sie auf meinem Programm stand. Vielleicht war es zu heiss? Wie gut, dass nach dem Schreiben ein kleiner Apéro stattfand. So konnte ich mich bei einem Gläsli Wein mit allen unterhalten und für mich sicherstellen, dass alle "Safe" nach Hause gehen.

Die Schreibworkshops per se sind mir eine Herzensangelegenheit. Und genauso sehr liegen mir meine Teilnehmerinnen am Herzen.

Wie geht es dir - was nimmst du mit?


 
 
 

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