Mein (Velo)Traum
- Martina Flück

- 9. Sept. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Es war kühl, eigentlich sogar kalt, an diesem Freitag Morgen. Um 8 wollte ich los. Eigentlich. Der Hitze wollte ich voraus sein. Stattdessen fragte ich mich nun, weshalb ich vorgestern keine Sekunde daran gedacht hatte, doch noch ein leichtes Jäckchen einzupacken. Ich, die in den letzten Jahren gefühlt den halben Haushalt mitschleifte, wenn sie von A. nach L. reiste. Diesmal hatte ich nur leichtes Gepäck mit dabei. Ein Velo-Shirt mit Ärmeln und eins ohne.
SuperSchmidi.
Ganz prima, wenn dann plötzlich der Herbst ausbricht.
Und weisch was?
Es ging auch!
Statt um 8 bin ich halt um 10 losgefahren. Erst noch schnell in den Denner, wo mich gefühlt das halbe Dorf begrüsste und sich freute, dass ich da bin. Ich hatte genügend Zeit, um mir eine Banane auszuwählen, Daniel bei der Suche nach Dosenananas zu unterstützen, an der Kasse kurz mit Anna zu sprechen, dann noch meine Mutter anzutreffen und draussen meinen Götti. All diese netten Begegnungen trugen dazu bei, dass ich um halb elf finally auf mein Velo stieg und mich kurz ärgerte, dass ich nicht doch das ärmellose Shirt angezogen hatte. So schnell wird aus Herbst wieder Sommer und ich düste los in einen wundervollen Tag auf meinem Velotraum.
Seit ich nämlich in den Sommerferien an einem Tag über 6 Pässe gefahren war (mit dem Auto notabene), hatte ich das grosse Bedürfnis, endlich auch mal wieder mit dem Velo einen Pass zu fahren. Denn: Mit dem Auto über einen Pass fahren, ist irgendwie nicht echt. Kein Schweiss, kein Schnaufen, kein "ohmannohmannohmann, wie soll ich das bloss schaffen" und auch kein Hochgefühl oben auf der Passhöhe. Kein Stolz, kein glückliches Grinsen im Gesicht. Keine wilde Abfahrt, kein Wind, der Tränen in die Augen treibt.
Nix davon.
Nun ist Altenmünster ja nicht gerade von Bergen umgeben. Und auch in meiner Schweizer Homebase ist das Alpenbrevet nicht gleich von zu Hause aus machbar (was mich jetzt nicht sonderlich stört...)
ABER: der Scheltenpass ist tiptop erreichbar. Ein schöner, kleiner Pass, einsam gelegen, wenig Verkehr und erst noch mit dem Bonus, dass die Route eine Reise durch meine Vergangenheit ist.
So kam es also, dass ich letzten Freitag durch einen wunderschönen Sommertag velofahren konnte. Durch das Thal, vorbei an der Siky Ranch, nach Moutier, durch Courrendlin, getscheggt, dass ich die Abzweigung verpasst hatte, zurück, dann nach Vicques, endlich Mervelier, die Scheltenmühle.
Dann, nach 45 Kilometern, tatatataa:
Der Anstieg.
Knapp 5 Kilometer bloss, manchmal sanft steigend, manchmal steil, durch kühlen Wald, dem Flüsschen entlang, ein paar Kehren hoch. Der Blick zurück ist wundervoll.
Ich liebe den Blick auf Passkehren. Auch wenn sie am Schelten nicht ganz so spektakulär sind wie am Grimselpass. Passkehren hinter mir machen mich stolz. Sie zeigen mir, dass ich vorwärts komme, aufwärts. Auch wenn sich der Weg anstrengend anfühlt und ich nur langsam unterwegs bin. Der Blick zurück macht klar, was ich schon geschafft habe. Was alles möglich war, obwohl ich am Anfang Zweifel hatte.
Ach, ich liebe es, mit meinem Velotraum unterwegs zu sein. Keine Velotour ohne Erkenntnisse, keine Velotour ohne Glücksgefühl, keine Velotour ohne die Gewissheit, dass sich auf dem Velo viele Fragen ganz natürlich klären.
Ganz oben angekommen genoss ich den letzten Schluck Rivella, liess meinen Blick und meine Gedanken schweifen.
Einfach wundervoll.
Einfach.
Wundervoll.
Und weisch was?
Seit ganz langer Zeit konnte ich an diesem Freitag die Abfahrt so richtig geniessen! Ich, der Abfahrts-Schiss-Haas par excellence!
Bei der ersten Kehre bremste ich noch stark ab. Bei der zweiten schon weniger. Und dann liess ich es einfach tschäddere! Wow! Sooo schön! Eine neue Strasse. Kein Gegenverkehr, gute Übersicht, alles safe und ich mitten auf der Abfahrt meines Lebens. Etwas wagen, mit Schmackes in die Kurve, das Risiko abwägen, mich genussvoll in die Kurve legen, gut rauskommen, weiter cruisen - es war grossartig!
Die letzten 20 Kilometer waren Kür. Vorbei an meinem ehemaligen Arbeitsort, Erinnerungen, die an jeder Ecke aufploppten, durch das Lobisei, St. Wolfgang, durchs Hölzli, kleiner Abstecher bei Freunden, bei denen die Tür für mich immer offen ist.
Dann nach Hause. Ankommen, abkühlen, glücklich sein.
Mein Velo ist ein Traum.




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