Poesie wirkt durch Schönheit
- Martina Flück

- vor 2 Tagen
- 3 Min. Lesezeit

Vor ein paar Wochen war ich Teilnehmerin eines Schreib-Workshops. Ich habe es genossen, von Sabine Huber-Wynnyczenko mit Impulsen beschenkt zu werden, einen Tag lang in die Welt der Poesie eintauchen und mich mit anderen Schreibenden austauschen zu können. Es hat mich richtig glücklich gemacht!
Wie Poesie wirkt
Durch die Verknappung erhalten die einzelnen Worte Gewicht, durch Wiederholungen schaffst du schreibend Tiefe. Poesie schafft Schönheit und Schönheit bringt etwas in uns zum Schwingen, das uns irgendwie ganz macht. Für mich fühlt es sich so an, als ob Ver-Rücktes in uns durch die Poesie wieder an seinen richtigen Platz rutscht.
Ich schreibe gerne Pantuns und Zevenaars. Dank Sabines Impulsen lernte ich einige neue Formen kennen. Ich bastelte unter anderem ein lustiges Schnipselgedicht, das mich fröhlich stimmte. Ich schrieb ein Akrostichon zu meinem Namen, das nachhaltig wirkt. Und ich schuf mein allererstes Sonett, das mich bei jedem Mal lesen berührt.
DAs Rezept
Aus der ZRM-Bildkartensammlung (Zürcher Ressourcen Modell) wählte ich intuitiv ein Bild. Ich schrieb ein paar Stichworte auf, die mir spontan einfielen und machte dann ein Sonett daraus.
Einmal mehr bestätigte sich meine Aussage/Frage "Woher soll ich wissen, was ich fühle, wenn ich es noch nicht geschrieben habe?". Quasi aus dem Nichts war da ein Grossvater-Text entstanden. Meine beiden Grossväter waren wichtige und prägende Menschen in meinem Leben. Ich war überrascht und habe mich gefreut, dass sich an diesem trüben Tag ein Grossvater in meinen Text schlich und mich an wundervolle Kinderzeiten erinnerte.

Mein erstes Sonett
Der Herbst legte sich in den Garten
Mathilda hüpfte fröhlich auf und ab
Vorbei war das unendlich lange Warten
Sie packte den Rechen, den Grossvater ihr gab
Lief damit hinaus wie ein Pferdchen im Trab
Sammelte Blätter, die sich um sie scharrten
Türmte sie auf zu einem Heidengrab
und versteckte die Monster, die sie narrten
Stolz stand sie neben dem Haufen
Selbstbewusst stand sie in der Welt
Ein Gefühl - mit nichts zu kaufen
Der Grossvater hatte gut gewählt
Sein Rechen brachte alles ins Laufen
Später hatte es Mathilda nie an Mut gefehlt
gewusst wie
Für viele Menschen ist es eine wirkungsvolle Differenzerfahrung, ihr erstes Gedicht zu schreiben. Wir glauben oft nicht, dass wir fähig sind, so etwas schaffen zu können. Die Wahrheit ist:
Das stimmt nicht :-)
Wir können sehr wohl Poesie schaffen. Was du brauchst, ist ein stimmiger Impuls und ein Rezept. Du brauchst einen Urtext , eine Ursuppe, aus der du Worte schöpfen kannst, um sie in die passende Form zu giessen. Lass also deinen Gedanken freien Auslauf. Lass sie über ganze Prärien galoppieren und mach auch am Horizont nicht halt. Schreibe einfach drauflos, was dir alles zu deinem Impuls einfällt. Dieser Text ist deine Masse, aus der du eine neue Form giesst.
Ein Sonett besteht in der Regel aus 2 Vierzeilern (Quartett) und 2 Dreizeilern (Terzett).
Die Verse reimen sich in einer bestimmten Form. Es gibt verschiedene Varianten.
z.b. abab abab cdc dcd
abba abba cdc dcd
abab baba cdc dcd
Wenn du es orthodox magst, findest du im Internet viele Artikel zum "richtigen" Reimschema. Du kannst dann zum Beispiel so schreiben wie Shakespeare.
Ich persönlich mag Freestyle. Vielleicht ist die Form, die ich wählte (abab baba cdc dcd) gar keine offzielle... Who cares - mein Sonett berührt mich, es macht etwas mit mir und das zählt.
Probiere es aus. Wähle ein Bild (z.B. im online-Tool des ZRM) mach dir Notizen, schreibe deinen Urtext, bilde ein Sonett. Freu dich und sei stolz auf all die Poesie in dir. Du schreibst für dich. Vergiss den Rest der Welt. Niemand muss deinen Text verstehen oder ihn sogar gut oder schön finden. Jetzt geht es um dich und was das Schreiben in dir bewegt.
Mit jedem Tag, an dem ich bewusst unbewusst schreibe, spüre ich deutlicher, wie Schreiben bewegt.
Diese Freude am Schreiben und seiner Bewegung will ich weitergeben. Hast du Lust, das mal auszuprobieren? Schreib mit mir - Schreibe Geschichte(n).




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